VALKYSER(S) in und um WEEZE - 500 Jahre Geschichte einer Familie und ihres Namens

von Theo Valkysers

Valkysers, ein sehr alter Name

„Valkysers, dein Name ist schon sehr alt!“ Diese Bemerkung meines damaligen Geschichtslehrers Gregor Hövelmann weckte schon früh mein Interesse für die Familienforschung. Was heißt sehr alt? Da Gregor Hövelmann1 Geschichtslehrer am Collegium Augustinianum in Gaesdonck2 war und sich mit dem Klosterarchiv Gaesdonck intensiv beschäftigte, vermutete ich, dass er diese Information nur aus dieser Quelle haben konnte. Als ich mich in späteren Jahren der Familienforschung zuwandte, hätte ich ihn gerne gefragt, auf welche Quelle er sich damals mit seiner Aussage bezogen hatte, aber da war er leider schon verstorben, und ich musste es alleine herausfinden.

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1 Gregor Hövelmann (1930-1986) war von 1960-1969 Geschichtslehrer auf der Gaesdonck und Kreisarchivar für den Kreis Kleve
2 Das
Collegium Augustinianum Gaesdonck ist ein staatlich anerkanntes bischöfliches Gymnasium des Bistums Münster mit Internat für katholische Mädchen und Jungen. Es liegt am Niederrhein (bei Goch, im Kreis Kleve) und wird seit über 150 Jahren mit der Bildung und Ausbildung junger Menschen betraut. Mit den zum größeren Teil wiederaufgebauten Gebäuden und der umfangreichen Klosterbibliothek Bibliotheca domus presbyterorum Gaesdonck ist das Collegium Augustinianum ein lebendiger Zeuge der Zeit-, Kirchen- und Bildungsgeschichte der letzten 600 Jahre. Auch das Archiv des niederrheinischen Zisterzienserinnenklosters Graefenthal wird in der Bibliothek aufbewahrt.

Tatsächlich kommt der Name „Valckyser“ in den „Behandigungsbüchern“ des Klosters Gaesdonck bereits in der ersten Hälfte des 17.Jh. vor, aber ist das schon „sehr alt“?
Ich hätte dabei eher an das Mittelalter gedacht. Wahrscheinlich hat es meine Familie mit diesem Namen bereits im Mittelalter gegeben, aber in den vielen Kriegen vergangener Zeiten und durch Brände wurden Urkunden und Kirchenbücher vernichtet oder sind nicht mehr auffindbar, und so lässt sich das nicht mehr lückenlos nachweisen.

Noch etwas beschäftigte mich von Kindheit an: Es gibt in Weeze und Umgebung Valkyser und Valkysers. In unserer Familie wurde zwar immer großer Wert auf das „S“ am Ende des Namens gelegt, bei einem so geringen Unterschied liegt es jedoch nahe anzunehmen, dass es sich um dieselbe Familie handelt. Das wollte ich herausfinden und möglichst urkundlich belegen, wo und wann sich die Familienzweige getrennt haben.

Beim Aufspüren der Familiengeschichte in und um Weeze wurde mir schnell klar, dass sie eng mit den Lebensorten, den landwirtschaftlichen Gehöften, verbunden ist. Die teilweise jahrhundertealte Geschichte dieser Höfe, in vielen Urkunden dokumentiert, wurde zu einer Fundgrube vieler Details, die über die Lebensbedingungen der Menschen in ihrer Zeit Auskunft geben. Zudem stieß ich auch auf zahlreiche Varianten der Schreibweise meines Familiennamens. Auch dieser Sache wollte ich auf den Grund gehen.
Neben der Frage nach dem Alter des Namens interessiert mich, wie er sich herleiten oder erklären lässt.


Der Name
Valkysers ist sicherlich außergewöhnlich in Deutschland und nicht sehr weit verbreitet. Geschätzt etwa 90 % der Namensträger wohnen im heutigen Kreis Kleve, mit Schwerpunkt in und um Weeze. In Weeze ist der Name seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar: In einer Urkunde von Schloss Wissen vom 24. Januar 1587 wird ein Johan Valckiserens erwähnt, verheiratet mit Anna van der Hatert. In einer Urkunde vom 25. April 1600 wird Johan Valckiseren (!) (vermutlich derselbe) als Schöffe in Weeze genannt.
Es gab noch mehrere Valckiseren
zu dieser Zeit, doch eine direkte Verbindung zu ihnen konnte ich aufgrund der verfügbaren Quellen bislang nicht finden. Da Land und Katstellen fast immer von Klöstern oder Adelsfamilien gepachtet wurden, lag es nahe, den Namen in den Steuer- und Abgabenlisten der umliegenden alten Klöster Graefenthal, Gaesdonck und Marienwasser zu suchen, leider erfolglos. Als Quelle kommt noch das Privatarchiv der lang ansässigen Adelsfamilie von Loe auf Schloss Wissen in Frage, das inzwischen zwar zu einem Teil (die Wissener Regesten), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, aber die Verbindung zu meiner Familie fehlt noch.
Immerhin gibt es eine Reihe urkundlich nachweisbarer Vorfahren. Sie sind eng mit den Wohnplätzen verbunden, deren Historie ich –soweit urkundlich erforschbar- jeweils mit verfolgt habe.

Begonnen hat die Geschichte der Valkyser/s) in dem Weezer Ortsteil Steeg.

Valckyseren ex Steeg

Die Keimzelle aller heute in und um Weeze lebenden Valkyser(s) ist wohl die in den klevischen tasterkarten von 1730 verzeichnete Falckisers Kaht“ in Weeze Steg, in unmittelbarer Nähe des Klosters Marienwasser gelegen. Sie gehörte dem Freiherrn von Loe (Schloss Wissen).
Auf der Flurkarte des Urkatasters von 1820 hieß der Hof zwischenzeitlich „Falkeisen Kathe“
. Offenbar war der maasländische Name einfach ins Hochdeutsche übertragen worden. Langfristig durchgesetzt hat sich aber der Name „Falckisers Kaht“, der später in Beurkundungen wieder auftaucht.

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Falckisers Kaht, Ausschnitt aus der Katasterkarte von 1730
Quelle: Hauptstaatsarchiv Düsseldorf

Hier wurde 1650 mein Vorfahre Jacob Valckyseren3 geboren (+ am 20.Februar 1729 op de Stegh). Er war verheiratet mit Berta te Riet (+ 1734 in Weeze- Fornick). Am 23.7.1680 bekamen diese Eheleute die Zwillinge Peter und Gerhard Valckyseren. Das Schicksal von Gerhard ist unbekannt; Peter heiratete am 26. Juli 1677 Johanna Steckelings. und hatte mit ihr zehn Kinder, drei Jungen und sieben Mädchen.
Ihr Sohn Thomas, der am 13. September 1720 als drittes Kind „Op de Stegh“ geboren wurde, heiratete Elisabeth Janssen aus Baal. Welcher von seinen Geschwistern auf der „Falckisers Kaht“ blieb und wie lange überhaupt jemand aus der namensstiftenden Familie diese Katstelle bewirtschaftete, ist bislang nicht nachweisbar. Fest steht jedoch, dass 1839 die „Valkisers Kath“ an Heinrich van Schewick verpachtet wurde. Der Name der Katstelle blieb bis ins 20.Jahrhundert hinein bestehen blieb, in verschiedenen Urkunden mal als „Bauhof“ oder als„Ackergütchen“ bezeichnet.

3 Die Namen in der direkten Vorfahrenlinie sind fett geschrieben. In Anführungszeichen stehen Begriffe und Namen aus verschiedenen Urkunden, die ich original übernommen habe.


Valckysere ex Baal

Durch seine Heirat mit Elisabeth Jaensen wurde Thomas Valckyser Pächter des Hofes „De Silvere Santkuyl“ im Weezer Ortsteil Baal.

Hierbei handelt es sich um einen Pachthof des Klosters Gaesdonck, dessen Größe und Lage schon 1660 beurkundet ist.4 Ein Pachtvertrag aus dem Jahre 1714 liegt in Kopie vor. Als Pächter wird hierin Lucas Cammans benannt. Die Pachtdauer betrug sechs Jahre mit einer dreijährigen Kündigungsfrist. Mit unveränderten Konditionen wurde der Vertrag 1726 mit Lucas Cammans verlängert, anschließend 1729 mit „Peter Jaensen en Gerritjen Thyss syne huysvrouwe“, am 15. Juni 1760 schließlich mit Thomas Valckyser und am 24.04.1785 mit Peter Valckyser, dessen Sohn. Während Cammans, Jaensen und Thomas Valckyser nur mit einem Kreuz unterschrieben haben („handt merck“), war Peter Valckyser der erste, der mit seinem Namen unterschrieb, „Peter valijseren“, und die Schreibweise damit dokumentierte.

4 s. Archiv Kloster Gaesdonck
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Teil des Pachtvertrags mut eigenhändiger Unterschrift
Quelle: Klosterarchiv Gaesdonck

Diese alten Pachtverträge enthalten interessante Einzelheiten, die Einblick in das Leben gewähren: In diesem Fall bestanden die Pachtzahlungen z.B. aus Geld und Naturalien. „Een dalder“ war im Voraus zu entrichten, unabhängig vom Ertrag. An die Klosterküche mussten jeweils zu Martini u. a. geliefert werden: 13 Pfund Butter, 50 Eier, 4 Hühner und Obst. Der Pächter war verpflichtet, die Obstbäume auf der Gaesdonck zu holen und bei sich zu pflanzen. Der Sackzehnte musste an Schloss Wissen geliefert werden, und die anfallende Amtssteuer („Schattinghe“) wurde geteilt: Im ersten Jahr der Pacht zahlte der Pächter nur ein Drittel, danach jeweils die Hälfte. Die anderen Anteile der Steuer übernahm jeweils der Eigentümer.
Als Folge der Säkularisation wurde der Hof auf Baal am 21.02.1824 an Gerhard Gipmanns aus Baal für 305 Taler verkauft. 1835 wird Thomas Valkysen als Eigentümer vermerkt, der 1845 ebenfalls als Eigentümer eines Hauses in Weeze in der Wasserstraße Nr. 35 eingetragen ist. 1848 verkauften die Eheleute Thomas Valckyser und Johanna Neu
den Hof für 4000 Taler an Johann Heinrich Evers aus Baal. Dabei wurde offenbar ungewollt und unbemerkt das Haus in der Wasserstraße mit verkauft. Man hat sich jedoch mit dem neuen Besitzer auf Korrektur dieses Irrtums geeinigt: In einem neuerlichen Notarvertrag von 1849 verzichtete J.H. Evers ohne finanzielle Ansprüche auf das Haus in Weeze. Thomas Valckysere, Enkel von Thomas Valckysere und Elisabeth Janssen, blieb somit Eigentümer diese Hauses in Weeze mit allen Rechten und Pflichten.
Der Hof auf Baal, „de Silvere Santkuyl“,
befindet sich noch im Besitz der Familie Evers.
Insgesamt lebten und wirtschafteten auf dem Hof in Baal bis zum Verkauf 1848 drei Generationen Valckysere nacheinander,

Thomas mit Elisabeth Jansen mit ihren Kindern
Johanna Valckysere *06.05.1754
Peter Valckysere *04.05.1757
Jacob Valckysere *21.12.1765, Begründer der Linie Issum- Aengenesch
Mechtild Valckysere *17.05.1768
Peter mit Maria Aswaeters und seiner 2. Ehefrau Catharina Grüntjes
Peter Valckysere hatte insgesamt 15 Kinder, zehn mit seiner ersten Frau Maria Aswaeters und fünf mit seiner zweiten Frau Catharina Grüntjes. die zugleich seine Nichte war, nämlich die Tochter seiner Schwester Johanna.5
Thomas Valckysere mit Johanna Neu (Noy) mit ihrem Sohn Peter, der auf Baal geboren und am 25. Februar 1830 in Wemb getauft wurde.
Jeder der heute in Weeze lebenden Valkyser(s) wird Vorfahren in dieser Baaler Familie finden.

Mit dem Wegzug von Thomas nach Weeze verschwanden die Valckysere nicht ganz aus Baal, denn sein Bruder Jacob blieb.

Jacob Valckysere und Maria Clabbers

Jacob, der am 07.11. 1788 in Baal auf dem Hof seines Vater geboren wurde, heiratete am 18.11.1813 Maria Clabbers, ebenfalls aus Baal. Die Trauung fand übrigens in der damals gerade neu gegründeten Pfarre Hl. Kreuz Wemb statt.
Da nicht der ältere Jacob, sondern sein Bruder Thomas den väterlichen Pachthof erbte, ist zu vermuten, dass Jacob „einheiratete“ und den Hof bzw. die Katstelle seines Schwiegervaters übernahm. Wo dieser „Hof“ genau lag, konnte ich bis jetzt nicht herausfinden.
Jacob zeugte sieben Kinder, fünf Söhne und zwei Töchter; beide Töchter erreichten das Erwachsenenalter und heirateten; von den Jungen überlebten nur Peter und Heinrich.
Peter war das erste Kind und wurde als „Pierre Valkysere „1814 in die Geburtsurkunde eingetragen. Bei seiner Heirat mit Helena Hoolmans schrieb der Standesbeamte „Peter Valkysers“, in der Sterbeurkunde heißt es dann Sohn von „Jacob Valkyser und Maria Klabbers“. Seine Geschwister wurden mit drei unterschiedlich geschriebenen Nachnamen in die Geburtsurkunden eingetragen: Valckysere, Valkysere und Valkysers. Das hätte eigentlich zu der Zeit nicht mehr sein dürfen, denn seit dem 1. April 1803 galt das „Versteinerungsgesetz“6, das heißt, die Festschreibung des Familiennamens, die Napoleon verfügt hatte und die von den Preußen übernommen worden war.
Am 13.05.1817 wurde Peters jüngerer Bruder Heinrich Valkysers geboren. Er behielt als erster seinen Familiennamen in unveränderter Schreibweise bis zu seinem Tod.7
Soweit mir bekannt ist, gibt es heute auf Baal keine Valkyser(s)
mehr.
Gehöft.

Heinrich führt uns zu den Valkysers in Wemb. Wie er dorthin kam, hängt mit der Geschichte des Grootens-Hofes zusammen.

5 Die Eheerlaubnis wurde „cum dispens“ erteilt, wahrscheinlich weil Catharina bereits im dritten Monat schwanger war und nicht der gesellschaftlichen Ächtung, Unehre anheim fallen sollte. Das war zur damaligen Zeit einer der Hauptgründe für eine Dispens.
6 Das Gesetz galt für das französisch besetzte Rheinland seit 1. April 1803, in Preußen seit dem 7. Dezember 1816, im ganzen Deutschen Reich erst seit dem 1. Januar 1876
7 Die Standesbeamten Ludwig Schürmanns (Geburt), Lorenz Diebel, (Heirat) und August Remmets (Sterbeurkunde) haben die Namensschreibung beibehalten und das Gesetz beachtet.
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Valkysers ex Wemb

Grootens“, eigentlich „Alstadts-“, auch „Altstadts Hof“ ist ebenfalls ein sehr altes Gehöft. Dass er schon aus dem frühen Mittelalter stammt, ist nur eine Vermutung. Sicher ist, dass ein Kaufvertrag vom 16.11.15508 existiert, aus dem hervorgeht, dass Frans von Loe den „Hof anger Alstat in der Bauernschaft Wemb, Kirchspiel Weeze, Amt Goch“ von Heinrich Haeghdorn kaufte, und zwar mit „Bauland, Busch, Bruch, Heide, Weide, Venn und Schlägen ohne jegliche Ausnahme, wie von den Stiftsherren von Reeß von alters her leibgewinnrührig.“
Der Name „Grootens“ wird in den Wissener Regesten Nr. 3118 vom 16.09.1683 erwähnt. Hierin weist Freiherr von Loe seinen Hausmann auf dem Hof „op gen Alstat“, „Thieß Gaerdts, genannt „Grootenß“, an, den Sackzehnten an Peter Jansen de Bosch zu zahlen. In den offiziellen Urkunden bleibt der Name Alstadt bestehen, bei den Bewohnern hat sich jedoch der Name Grootens durchgesetzt, der bis heute gebräuchlich ist.

Der Hof gehörte demnach zwar zu Schloss Wissen, aber die Pächter „vererbten“ ihn innerhalb ihrer Familie weiter, wegen Kinderlosigkeit nicht immer in direkter Linie. Davon zeugen verschiedene Testamente, die heute noch in Original-Abschriften auf dem Hof verwahrt werden. Aus einem dieser Dokumente geht z.B. hervor, dass der Pächter Peter Winkels mit seiner Mutter und seinen Geschwistern am 6.5.1808 einen Erbvertrag schloss. Danach erhielt Peter das ganze Inventar des Hofes zur Nutznießung und musste als Gegenleistung seine Mutter „Witwe Winkels, geborene Elisabeth Knops“ bei sich aufnehmen, verköstigen und pflegen sowie nach ihrem Tod seine Geschwister auszahlen. Diesen Erbvertrag machte er unmittelbar vor seiner Heirat mit Hendrina Jaspers. Das Ehepaar Peter Winkels und Hendrina Jaspers wurde nun neuer Pächter des Grootens-Hofes. Diese Ehe blieb kinderlos, deshalb verfügte Peter Winkels 1832 in seinem Testament, dass bei seinem Tod seine Ehefrau den Nießbrauch erhalten sollte, sein „ganzes Vermögen“vererbte er aber an die Nichte seiner Frau, Hendrina Boumans, die auch auf dem Hof lebte. Sie war die Tochter von Johanna Jaspers, einer Schwester von Hendrina Jaspers.

8 s. Regelten Wissen Nr. 1955
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Teil des Testaments mit Erwähnung der Erbin Hendrina Boumans

Warum der Besitz nicht an einen seiner Verwandten, sondern an Hendrina Boumans ging, lässt sich nicht mehr nachvollziehen Offenbar sollte aber der Name Winkels erhalten bleiben, denn die Familie hatte dort seit mindestens zwei Generationen gewirtschaftet. Die Hoferbin Hendrina Boumans heiratete jedenfalls in erster Ehe Heinrich Winkels aus Uedemerfeld.9 Als Heinrich Winkels im November1840 starb, gab es keine überlebenden Nachkommen aus dieser Ehe. Hendrina, die Alleinerbin, heiratete am 11.09.1841 Heinrich Valkysers aus Baal. Bemerkenswert ist noch, dass ihr Bruder Lucas Boumans Johanna Valckysere heiratete, eine Schwester von Heinrich Valkysers. So entstand ein doppeltes Familiengeflecht.

Mit Heinrich Valkysers hielten also die Valkysers Einzug in Wemb. Er ist der Stammvater aller heutigen Valkysers.

Im Januar 1850 wurde für den Altstadtshof ein neuer Pachtvertrag geschlossen, und zwar zwischen Heinrich Valkysers und Gerhard Cremeren, Bürgermeister von Weeze als Bevollmächtigter des Grafen Cajus zu Stolberg-Stolberg in Brauna/Sachsen. Dieser war der damals aktuelle Besitzer, denn Marie von Loe hatte ihn geheiratet und den Hof mit in die Ehe gebracht. Aus heutiger Sicht erstaunt es sicherlich, dass nicht die Erbin sondern ihr Ehemann als Geschäftspartner auftritt. Es war jedoch zu der Zeit die übliche Rechtslage, denn mit der Heirat übernahm der Ehemann alle Rechte.

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In den Besitz der Valkysers ging der Hof am 05.08.1893 über. Da kaufte Jacob Valkysers, Heinrichs Sohn ihn von „Maria Antonia Pia Elisabeth von Rochow, früher auf Schloß Falkenberg in Schlesien und jetzt als Klosterfrau unter dem Namen Schwester Agnes zu Angres /Frankreich) wohnend“10. In dieser Urkunde werden übrigens beide Namen des Hofes erwähnt: “Grotens-auch Altstatshof genannter Ackerhof“.
Bis heute befindet sich der Hof in Familienbesitz und wird auch noch als landwirtschaftlicher Betrieb geführt. Landwirte mit Valkysers-Genen arbeiten auf diesem Hof nun in der 5. Generation, jedoch hat sich der Familienname in der vorletzten Generation durch Einheirat geändert.

Heinrich Valkysers und Hendrina Boumans hatten sieben Kinder, drei Söhne und vier Töchter.
Ihr ältester Sohn Heinrich heiratete 1874 Maria Goossens in St Anthonis (NL) und kaufte dort im gleichen Jahr von seinem Erbteil eine „Boerderij“, die er Anfang 1882 wieder verkaufte. 1883 ersteigerte er die unmittelbar neben dem Hof seines Bruders Jacob gelegene Katstelle Am Bruch 13 in Wemb.

Sein Bruder Jacob heiratete1882 Helena Tissen und erbte den Grootens-Hof. Der jüngste Bruder, Peter Johann heiratete Gertrud Terieth und starb 1888 auf Baal. In Wemb selbst blieben die männlichen Nachkommen von Heinrich und Jacob. Und so lebten Anfang des 20. Jahrhunderts mehrere Familien mit dem Namen Valkysers in Wemb.

Valkysers und doch nicht Valkysers

Vor und nach dem 2. Weltkrieg (1939-1945) gab es in Wemb fünfmal Valkysers
, drei davon wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft. Keiner davon wurde im dörflichen Sprachgebrauch jedoch Valkysers genannt. Grootens blieb Grootens (bur), gefolgt von dem entsprechen Vornamen: „Grootens Köb“ , „Grootens Leni“, etc.
Grootens Pit
gründete in Wemb am Bruch einen neuen Bauernhof, und behielt diesen Namen bei. Seine Kinder hießen entsprechend „Grootens Pit sinne Köb, Pit Gert „,usw.
Einer heiratete bei „Liewen Heer“
11 ein und hieß ab da „Liewenheerse Köb“.
Auf der „Deckers Kathe“ wirtschaftete mittlerweile Heinrichs Sohn Martin Valkysers; der wurde nur „Mattin“ genannt. So war sein Sohn Mathias, mein Vater,Mattin Math“, und wir Kinder hießen „Mattin Math sinne Mattin“ etc. Meine Mutter wurde von den Kindern in der Nachbarschaft nur „Tante Mattin“ genannt. Mein Onkel Paul war Schneider von Beruf und hieß nur„de Schnejder“ und seine Kinder entsprechend „Schnejders Maria“etc.
Übrigens, dass ich eigentlich Theo Valkysers heiße, habe ich erst mit der Einschulung erfahren; ich war immer „Mattin Theij“.

9 Peter Winkels und Heinrich Winkels hatten den gleichen Namen. In welcher -evtl. verwandtschaftlichen- Beziehung sie standen, ist noch nicht erforscht.

10 Aus der erwähnten Urkunde geht hervor, dass sie nicht selbst anwesend war, sondern sie wurde vertreten durch Friedrich Busch, Verwalter zu Wissen.
11 Gaststätte und landwirtschaftlicher Betrieb an der Straßenkreuzung vor Wemb.

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Deckers Kath, die Heinrich Valkysers 1883 ersteigerte; links: Wohnhaus (1939 erbaut) , Hinterhaus (1928) mit Kuhstall und Pferdeställen, rechts: Scheune und Schweineställe (ca. 1955), quer dahinter: Schuppen und Garten, ganz rechts: Hühnerstall, Foto 1984
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Die 82 jährige Leni Wellessen, geb. Valkysers, (Grootens -Len) ist die Altbäuerin auf dem Grootens-Hof. Foto April 2015

Unterschiedliche Schreibweise des Namens und Aussprache


Diese Zusatznamensgebung und Art der Identifikation bei gleichem Vornamen hat über lange Zeit bis zu meiner Generation gut funktioniert und den eigentlichen Familiennamen in den Hintergrund gedrängt. Vielleicht lässt es sich auch so erklären, dass die Schreibweise des Namens häufig variierte. Da es vor der Einführung der Standesämter unter Napoleon keine einheitliche, sprich „amtliche“ Schreibweise gab, sondern nach Gehör aufgeschrieben wurde, traten weitere Fehlerquellen auf: Der Familiennamen wurde in erster Linie bei kirchlichen Anlässen wie Taufe, Heirat, Tod schriftlich festgehalten und änderte sich je nach Aussprache des Namensträgers oder Hörvermögen des Schreibers (meist Pfarrers). Außerdem war der Namensträger bis ins 19. Jahrhundert hinein oft noch des Lesens und Schreibens unkundig, konnte so die Schreibweise nicht kontrollieren und wusste selbst allenfalls, wie sein Nachname ausgesprochen wurde. Heiratete z.B. eine geborene Valkysers, wurde in der Heiratsurkunde und bei den Geburten der ersten Kinder ihr Name noch einigermaßen gleich geschrieben. Über die Jahre veränderte sich z.B. Valckyseren auch schon mal zu Wallichieren, zumal wenn der Pastor inzwischen gewechselt hatte und ihm der Name nicht bekannt war und auch die Anzeigenden selbst den Nachnamen der Mutter nicht mehr so genau wussten. Auch so entstanden Verballhornungen und Änderungen der Schreibweise. In den ältesten noch vorhandenen Kirchenbüchern (um 1622) findet sich auch Falckyser oder auch Falcki(e)ser(s), später hat sich aber das V als Anfangsbuchstabe durchgesetzt. Wie sich der Wandel von F nach V vollzogen hat, lässt sich nicht gesichert nachweisen ebenso wie die Veränderungen des i_Lautes (i-ie-ij-y) Haben die Pastöre damals das im Lateinischen eher gebräuchliche V verwandt? Oder kam das V aus dem maasländischen Sprachbereich?
Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich der Name von Valckyseren über Valckysere, gelegentlich auch Valckieser(s), Valckijser, Valckyser
zu Valkysers. Auffällig bleibt, dass in allen handschriftlichen Texten über dem y immer zwei i-Punkte stehen, und zwar noch bis zur Generation meiner Eltern. Bis zu Beginn des 19. Jh. blieb „ck“ im Namen erhalten, während das „s“ im Auslaut mal auftauchte, mal nicht.
Ein anschauliches Beispiel für die unterschiedlichen Schreibweisen innerhalb derselben Generation bieten die Urkunden zu Jacob Valkysers
. In das Geburtsregister wurde er 1788 als Jacob Valckysere eingetragen, bei seiner Heirat 1813 schrieb der Standesbeamte Valckyser, er selber unterschrieb mit Falkiser. Aus der Unterschrift lässt sich zumindest schließen, wie der Name wohl ausgesprochen wurde: mit F- Laut zu Beginn, das Y als i gesprochen. Aufmerksamen Zuschauern von ZDF Sport- Sendungen wird aufgefallen sein, dass der Reporter Hermann Valkyser genau so angesagt wird. Auch nach dem Versteinerungsdatum (s.o.) wurden noch kleine Namensänderungen vorgenommen, ob mit oder ohne Absicht, lässt sich nicht mehr feststellen. So blieben Valkyser und Valkysers übrig, beide entstammen also derselben Familie.

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Das Familienfoto vom 30. August 1960 Zeigt die Eltern des Autors, Mathias Valkysers und Wilhelmina Valkysers mit ihren sieben Kindern, v.l.n.r.: Wilhelm Maria, Theo, Wilhelmina (Mutter), Margret, (vorne) Gertrud, Mathias (Vater), Heinrich, Martin

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Die Herleitung des Namens und das Wappen

Am Niederrhein können Familiennamen in der Regel vom Vornamen des Vaters, deutschen Berufsbezeichnungen, Wohnplätzen, Aussehen oder Herkunft12 abgeleitet werden. Am ehesten kann man in unserem Fall im weitesten Sinne von einer Berufsbezeichnung ausgehen. Bislang gibt es dazu vier Thesen:
- Am augenfälligsten erschien mit lange Zeit die Erklärung, dass sich der Name aus Valck und ijser, Falken und Eisen zusammensetzt. Inzwischen weiß ich jedoch, dass es den Begriff Falkeneisen in der Falknerei nicht gibt. Die Herleitung als Berufsbezeichnung für einen Mann, der z.B. Falkeneisen hergestellt hat, ist daher nicht sehr wahrscheinlich.
- Im Mittelhochdeutschen gibt es den Begriff „valgen“
, der soviel wie ackern, umgraben bedeutet. Valkysers wäre dann jemand gewesen, der mit einem Eisen umgräbt. Anders ausgedrückt: er hat den Holzpflug durch eine wie auch immer geartete Eisenschar ersetzt. Jedoch ist diese Variante auch nicht wahrscheinlich, da das Mittelhochdeutsche am Niederrhein nicht gesprochen wurde13.
- Auf lateinische Wurzeln zurückgehend wäre folgende Erklärung möglich: „ falcarius“
lautet die lateinische Berufsbezeichnung für Sensenschmied. Lateinisch war im Mittelalter die Sprache der Kirche und taucht in Klosterbüchern auf. In diesen wurden Vornamen immer latinisiert (aus Peter wurde Petrus), warum nicht auf Zusatznamen?
- Da in den alten Urkunden der Name meist als
Valckys-eren auftaucht, könnte man auch zu folgender Deutung kommen: „falx-falcis“onnte. bedeutet Sense, „erus“ Herr, also „Herr der Sense“. Im Mittelalter erhielten Menschen, die für Klöster arbeiteten, zur besseren Unterscheidung Zusatznamen meist nach ihrer Tätigkeit. So sind die beiden letzten Auslegungen zwar denkbar und m.E. sogar wahrscheinlich, aber bisher nicht genau zu belegen.
Auf jeden Fall scheint mir der Name eng mit der Landwirtschaft verknüpft zu sein. Das ist auch deshalb schlüssig, weil alle mir bekannten Vorfahren wie oben dargestellt seit 500 Jahren mit Landbearbeitung zu tun hatten. Dies findet deshalb auch seinen Niederschlag im Wappen der Familie, das ich aus Anlass des 100. Geburtstages meines Vaters 2010 stiftete. Es entstand nach intensiven Gesprächen mit dem bekannten Heraldiker Lothar Müller-Westphal aus Düren, der es auch gestaltet hat, und deckt die möglichen Herkünfte des Namens ab: Es zeigt die volksetymologische Bedeutung des Namens aus
Falken und Eisen. Hierfür steht der mit einer Schelle abgebildete Jagdfalke und die Sense als Symbol für Eisen. Sie steht auch für den „Sensenschmied“ und den „Herrn der Sense“. Die Rohrkolben sollen daran erinnern, dass meine Vorfahren fast immer an feuchten Gebieten gewohnt haben, die sie auch mit Hilfe der Sense trockengelegt und urbar gemacht haben. Dazu würde auch die Herleitung von valgen passen.
Die Rose unter der Sense ist dem Weezer Wappen entnommen und deutet auf die lange Geschichte der Familie in Weeze hin. Der Stechhelm steht für ein bürgerliches Wappen, die Helmzier ist frei gestaltet.

Das Wappen wurde in die deutsche Wappenrolle eingetragen und darf im Mannesstamm von allen geführt werden, die Jacob Valckyseren (1650-1720) als gemeinsamen Vorfahren mit mir haben.
Mein Wunschtraum ist es, einmal die Quelle zu entdecken, die einen eindeutigen Hinweis auf Herkunft, tatsächliches Alter und Deutung unseres Familiennamens ermöglicht.

12 Vgl. dazu auch den Artikel Die Entstehung der Familiennamen von Bernhard F. Lesaar , Paul Dyckmann Unsere Familiennamen und Clevische Familiennamen von Prof Dr.G. Mestwerdt „Mosaik“Hefte 1980).

13 Nach Auskunft von Dr. Georg Cornelissen, Sprachwissenschaftler im LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, den ich in der Angelegenheit befragte.

Der Artikel wurde in Weezer Geschichte, Jahrbuch 2015 veröffentlicht.