De Brukhej

von Theo Valkysers

Bei de Brukhej handelt es sich um ein altes Gehöft in Wemb am Bruch. Er wird bereits in einer Schuldverschreibung von 1840 erwähnt. Der damalige Besitzer war Johann Winkels.
Sein Schwiegersohn
Peter Deckers hatte sich bei dem Weezer Kaufmann Arnold Jacob Rohs die Summe von 1200 Gulden clevisch zu 5% Verzinsung geliehen. Dafür haftete er selbst mit seinen Besitzungen Deckerskathe und Stevenskathe, beide in Wemb am Bruch gelegen, heute die Hausnummern 13 und 15. Johann Winkels als Schwiegervater des Debitors erklärte: Er verbürge sich solidarisch … mit dem vorgenannten Peter Deckers für die pünktliche Rückzahlung des Capitals nebst Zinsen dem Herrn Rohs und stelle zur größeren Sicherheit folgende Realitäten zur Hypothek und zwar seine Kathstelle Broekheide, belegen zu Wemb, Bürgermeisterei Weeze, bestehend aus einem Hause, Garten, Ackerland und Weide, groß circa sechs Morgen, begrenzt einer Seits von den Grundstücken des Johann Baumanns und einer Gemeindestraße, führend von Wemmerdeich nach dem Veen, anderer Seits von den Grundstücken des Freifräuleins von Daell und denen des Adcovaten van Mühlbracht… .
Weder Peter Deckers selber noch seinen Kindern gelingt es jedoch, die Schulden zurückzuzahlen.
Die Deckerskathe wird auf Betreiben der Erben Rohs am 19. Januar 1883 im Weezer Bahnhof zwangsversteigert und kommt in den Besitz von Heinrich Valkysers. Die Broekheide ist davon nicht betroffen. Im Gegenteil: Katharina Winkels, Tochter von Johann Winkels, erbt die Kate, heiratet Johann Willems aus St. Anthonis in den Niederlanden und bekommt mit ihm 13 Kinder. Eines davon ist Hermann Willems, der 1892 auf diesem „Hof“ geboren wird. Wie der zur Zeit seiner Kindheit aussah, beschreibt er anschaulich in nachfolgendem Gedicht, das er aus der Erinnerung in späteren Jahren verfasst hat.

Hermann Willems, 1892 -1959
1892-1959
Hermann Willems
1892-1959
Herman Willems

Der Autor verbringt seine Jugend in Wemb, macht eine Lehre bei der Post und wird als Soldat im 1. Weltkrieg eingezogen und schwer verwundet. Nach dem Tod seines in Essen lebenden Bruders kümmert Hermann sich um seine Schwägerin und deren zwei Kinder, heiratet sie später, bekommt ebenfalls noch zwei Kinder mit ihr und behält so seinen Wohnort Essen bei, wo er 1959 stirbt. Seinem Heimatort Wemb, vor allem seinem Geburtshaus, bleibt Hermann Willems stets stark verbunden. In den dreißiger Jahren schreibt er mehrere Gedichte über sein Elternhaus, das Dorf Wemb, seine Bewohner und besonders ausführlich über die 1936 gefeierte Silberhochzeit seines Bruders Johann auf dem elterlichen Hof, mit wenigen Ausnahmen alles in „Wember Platt“. Es ist der Dialekt seiner Kindheit, der sich, wie alle lebenden Sprachen, im Laufe der Zeit stark verändert hat. Da sein Vater aus St. Anthonis in den Niederlanden stammt, können wir davon ausgehen, dass zahlreiche niederländische Ausdrücke in seiner „Mutter- sprache“ vorkommen. Viele Begriffe sind im Laufe der Zeit durch die Angleichung des Dialektes an das Hochdeutsche und den immer geringer werdenden Gebrauch der Mundart als Umgangssprache verloren gegangen und auch mir, der ich noch „Wember Platt“ als „Mutter- sprache“ gelernt habe, nicht geläufig.

De Brukhej:

En Hüske ganz leg van Muhren ütt Steen
Jo, duw der Tid gow et der noch van Tünn met Lehm.
In en diep Gaht hadde se et frugger do hengesatt
Duw der Tid me dat bouwen nitt so no de Vörscheft hat.

Et Vörhüs stond wars vör’t Ächterhüs met Stall
On achter et Hüs lej met grote Strück äne Wall.
De Schür läj längs nevenop van de Stroot
Et wor en groot Gespüß en hat wenneg Verloot.

In de Wenter schliepen dök de Schojers drinn
On ok de Komise fonden dök för et Wär ene Schötz dorin.
En sej schliepen allemol in, mär nit op ons Egendohm
Want medden in de Schür de Schäjsteen van de Stroot däj stoon.

In et Hüs, so leeg as et läj, trejde me noch äne Fut in de Läch
As dor nij oppies, fiel me ok noch op et Gesech.
In Hüs wor ne lehme Flur met Fürkull en Hohl
En hoch an de Sölder hing en alderwettse Balekeschool.

Dann kom me in de Kahmer, et best Verloht
Dor wor et grat on einfach, dor soch gej gäne Stoht.
De Toffel met Stuhl on Bank stond vör et Glas
An de Kant stonden de Bettkäst met de Klojekas.

An de lenke Kant van et Hüs ging et de Blageschlopkamer harin
Dovörr, newen den Holthuck, me no de Kälder ging.
Dor stond de Kappes- en Bohnentonn, näwe Kärn on Mälek
En bütten dervör wor de Poggelöp, dä stonk mäj lälek.

Ging me van Hüs nor de Dähl hat rechts de Göht ören Huck
Dij wor met Käje geflastert, dat wor allgemeen so Bruck.
Hir stonden de Tälders met de Schottele, en de Emmers för et Water
Et was no alden Bruck en düster Krupplock met ä paar Gater.

So kohm me dann op de Dähl, den Achterbouw van et Hüs
Hir sinn de Kuw met den Oß en de Poggen met de Hunder tüß.
Hoß den grötsten Dehl van de Dähl wor Mestekull.
Op de Dähl wird es hoß ni lecht en et rökten der ömmer full.

Tößen Hüs en Schür läj as enen extra Staat
Ene groten Hop gehouwen Hej för et Veh te strouwe parat.
En vör de Göht stond op drij Been de Schlippsteen in de Grond.
Doronder, för de Gesondheit van et Veh, ene Struck met Lippsteck stond.

Den Hof läj vör et Hüs met ä paar grote Böhm dorin.
Ene grote Wall met Strück on Dörn, dänn tünden en inn.
Daran schlot sich an de Maßekant ä Wäjken an
Dat wor halef Bruk, halef Hej on had van bej sinne Nahm.

Now sinne wej öm et Hüs on keken owerall drinn.
Dat wor ons Mojers Erefdehl, se hitte nij anders as Brukhejse Katrinn.
Hir stond ok min Wieg, hir was ek jonk on frej,
doröm es mej häleg devan den Nahm nu: „de Brukhej“.


Hier beschreibt Hermann Willems ziemlich exakt und voller Stolz, wie sein Geburtshaus aussah. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, möchte ich auf einige bemerkenswerte Punkte eingehen. Dabei halte ich mich an den Wortlaut, den ich jedoch des besseren Verständnisses wegen an einigen Stellen „übersetze“, näher erläutere bzw. interpretiere.

Stacks Image 59
De Brukhej 1927, Nachfolgebau des im Text beschriebenen Hauses, erbaut 1903
Auf dem Foto zu erkennen ist die Eigentümerfamilie Johann und Katharina Willems, links deren Tochter Adelgunde, spätere Besitzerin, daneben Katharina mit Sohn Peter auf dem Arm, Katharina Moll, ihre Schwester, Johann Willems, Eigentümer und Bruder von Hermann Willems, auf den Pferden die Söhne Christian und Johann, rechts Knecht Johann Verrieth.
Alle drei Söhne sind im 2.Weltkrieg gefallen.
Foto privat

Nun , wie oben angekündigt, einige Erläuterungen zum Gedicht.
Bei der Katstelle handelte es sich um ein niedriges Haus aus Stein, Flechtwerk und Lehm, das in einem tiefen Loch (
in en diep Gaht ) stand. Wollte man das Haus betreten, musste man nochmals eine Stufe tiefer hinabgehen, was einer Stolperfalle gleichkam.

Das Vorderhaus stand quer zum Hinterhaus mit dem Stall. Entlang des ins Veen führenden Weges (s.o.) lag die Scheune, die zwar groß war, aber offenbar wenig Platz bot (Et wor en groot Gespüß en hat wenneg Verloot.)

Dienst tuende Zöllner (Komise) suchten darin gelegentlich Schutz bei schlechtem Wetter und in der Nacht Obdachlose (Schojers), letztere später von den Bewohnern am Bruch auch „Petrusheimer“ genannt. Das Kuriose war, so wie Hermann Willems schreibt, dass sie zwar in, aber nicht auf dem Eigentum der Familie Willems schliefen, denn mitten in der Scheune stand der Grenzstein.
Beim Betreten des Hauses gelangte man in einen Raum mit Lehmfußboden, offener Feuerstelle mit dem gezähnten Flacheisen (
Hohl), an dem der Kochtopf hing. Von da ging es weiter in die Kahmer. Das war der schönste Raum, den das Haus zu bieten hatte, obwohl es hier keinen Prunk gab. Alles war einfach. Tisch, Stuhl und Bank standen vor dem Fenster, an der Seite die Bettkästen mit dem Kleiderschrank. Für die Kinder gab es einen eigenen Raum, de Blageschlopkamer. Er lag an der linken Seite des Hauses, davor ging es in den Keller. Daneben befand sich der Holthuck, der Platz für das Brennholz. Im Keller lagerten die Vorräte, insbesondere Kappes- en Bohnentonn näwe Kärn on Mälek. Das selbstgemachte Sauerkraut und die „Schnippelbohnen“ aus der Tonne waren wichtig für die Versorgung im Winter.
Draußen vor dem Keller liefen die Schweine herum, was häufig recht arg stank. Ging man vom Haus zur
Dähl (Diele), lag rechts noch de Göht, ein dunkles, niedriges Loch mit ein paar Lichtöffnungen (Gahter) . Wir würden es heute vielleicht als Spülküche bezeichnen. Deren Boden war nach allgemeinem Brauch mit Steinen gepflastert. Hier wurden Teller und Schüsseln aufbewahrt sowie die Eimer für das Wasser.
Auf der
Dähl stand das Vieh: Kühe, Ochse (Zugtier), Schweine und Hühner waren hier zu Hause. Den größten Teil der Dähl nahm aber der Misthaufen ein. Entsprechend faul stank es hier, und es wurde auch nie richtig hell.
Zwischen Scheune und Haus lag ein großer Haufen geschlagener Heide, die als Streu für das Vieh diente. Vor der
Göht stand auf drei in den Boden gerammten Beinen ein Schleifstein, darunter, für die Gesundheit des Viehs, ein Strauch Lippsteck.
Vor dem Haus lag der Nutzgarten mit ein paar großen Bäumen. Ein großer Wall mit Sträuchern und Dornen diente als Einzäunung. An der Seite zur Maas hin schloss sich eine kleine Wiese an, die halb aus Bruk (Feuchtgebiet) und halb aus Hej (Heide) bestand; daher der Name Brukhej. Sehr stolz berichtet Hermann, dass de Brukhej das Erbteil seiner Mutter war, die von allen immer Brukhejse Katrinn genannt wurde. Hier stand seine Wiege, hier fühlte er sich jung und frei, hier war er glücklich.
Das sehr einfache Haus mit wenig Wohnraum und ohne jeden Komfort lässt erahnen, wie hart das Leben der Bewohner gewesen sein muss. Mensch und Vieh lebten dicht zusammen, es stank fürchterlich.
Ähnlich wie der
Brukhej werden auch die anderen Katstellen am Bruch ausgesehen haben, und das tägliche Leben der Bewohner war wohl weit entfernt von dem, was wir uns heute unter Leben und Wohnen auf einem „Bauernhof“ in der „guten, alten Zeit“ vorstellen.